Ich lebe seit meiner Geburt mit Batten-Turner Congenital Myopathy (BTCM). Auf dieser Seite möchte ich euch einen persönlichen Einblick geben, was es heißt, mit dieser seltenen Muskelerkrankung aufzuwachsen, wie ich meinen Alltag gestalte und welche Dinge mir geholfen haben, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen.
Wer ich bin und wie alles begann
Ich erinnere mich nicht bewusst an die ersten Wochen nach meiner Geburt, aber meine Eltern erzählten mir immer wieder, dass die Ärzte sehr früh feststellten, dass meine Muskulatur ungewöhnlich „schlaff“ ist (Hypotonie). Mit vier Monaten erkannte man, dass meine motorische Entwicklung langsamer verlief: Ich konnte meinen Kopf nicht lange halten und lag – anders als die meisten Babys – ziemlich bewegungslos in der Wippe.
> Damals wussten meine Eltern noch nicht, dass diese Anzeichen auf Batten-Turner Congenital Myopathy hindeuteten. Es gab keine akuten Verdachtsmomente auf andere bekannte Myopathien, und erst nach jahrelangen Untersuchungen (Muskelbiopsie, EMG und schließlich ein genetischer Test) wurde die Diagnose BTCM bestätigt.
Was Batten-Turner Congenital Myopathy (BTCM) bedeutet
- Genetischer Hintergrund: BTCM entsteht durch Mutationen im SPEG-Gen, das in unserer Skelett- und Herzmuskulatur eine wichtige Rolle spielt. Weil beide Elternteile Träger einer veränderten Genkopie sind (autosomal-rezessive Vererbung), kann ein Kind BTCM entwickeln, obwohl die Eltern selbst gesund sind.
- Symptome, die ich kenne:
- Von Geburt an niedriger Muskeltonus (meine Muskulatur war weicher und weniger kraftvoll).
- Verzögerte motorische Meilensteine: Sitzen, Krabbeln haben bei mir länger gedauert als bei Gleichaltrigen.
- Proximale Muskelschwäche: Meine Schultern, Hüften und Oberschenkelmuskeln sind weniger ausdauernd, deshalb bin ich schneller erschöpft.
- Gelegentliche Myotonie: Manchmal habe ich ein leichtes Muskelsteifigkeitsgefühl, wenn ich mich anstrenge oder lange in einer Position bleibe.
- Bei mir spezifisch keine Herzbeteiligung, aber ich weiß, dass einige BTCM-Betroffene auch kardiologisch begleitet werden müssen.
Mein Alltag und welche Hilfsmittel mir helfen
BTCM begleitet mich in jedem Aspekt meines Lebens – aber das heißt nicht, dass ich nicht selbst entscheiden kann, wie ich es lebe.
- Bewegung und Physiotherapie
- Schon als Kleinkind begann ich mit Physiotherapie: sanfte Dehnübungen, gezieltes Muskelaufbautraining und Koordinationsübungen. Heute besuche ich weiterhin einmal pro Woche eine Physiotherapeutin, um Beweglichkeit und Kraft zu erhalten.
- Ich achte darauf, meine Grenzen zu kennen. Wenn ich merke, dass ich nach längerem Sitzen oder Stehen schnell ermüde, mache ich bewusst Pausen. So vermeide ich längere Phasen von Muskelkrämpfen oder steifen Gelenken.
- Hilfsmittel im Alltag
- Rollstuhl oder Rollator: Wenn ich weiter entfernte Ziele zu Fuß erreichen möchte (z. B. einen Einkaufsbummel), nutze ich meinen leichten Rollstuhl. Für kürzere Strecken zu Hause oder in der Schule/Arbeit hilft mir ein Rollator, meine Haltung zu stabilisieren.
- Rückenstützen: Bei längeren Sitzphasen, zum Beispiel im Büro oder in der Schule, habe ich eine speziell angepasste Rückenstütze, die mir hilft, eine aufrechte Haltung zu halten und Rückenschmerzen zu vermeiden.
- Ergotherapie und Selbstständigkeit
- In meiner Schulzeit und danach half mir Ergotherapie dabei, Alltagsaktivitäten zu üben: Von der handschriftlichen Arbeit bis hin zum richtigen Heben leichter Gegenstände oder dem Anziehen von Kleidung. Heute profitiere ich immer noch von den Strategien, die mir damals gezeigt wurden: Abwechselndes Stehen/Sitzen, rutschfeste Hilfsmittel in Küche und Bad, ergonomische Stühle und speziell angepasste Schreibtischhöhen.
- Kleine Hilfsmittel, wie Greifzangen oder elektrische Dosenöffner, erleichtern mir manche Tätigkeiten im Haushalt. Ich investiere gerne in technische Lösungen, die mir mehr Unabhängigkeit bringen.
Schule, Ausbildung und Beruf
In meiner Schulzeit gab es Phasen, in denen ich mehr Unterstützung brauchte:
- Lernpausen: Wenn ich wegen muskulärer Ermüdung nicht mehr gut schreiben konnte, half mir eine Mitschülerin, Notizen abzutippen.
- Verlängerte Prüfungszeiten: In Klausuren durfte ich längere Schreibpausen einlegen und nutzte einen ergonomischen Schreibständer.
Umgang mit BTCM: Tipps, die mir geholfen haben
- Eigenverantwortung und Information
Je mehr ich über BTCM wusste, desto leichter konnte ich selbst Entscheidungen treffen. Ich habe medizinische Fachartikel sowie Erfahrungsberichte gelesen, um verschiedene Therapieansätze besser einschätzen zu können. Meine genauen genetischen Ergebnisse (SPEG-Mutation) kenne ich und gebe sie an Ärzte weiter, damit sie eine Therapie individuell auf mich abstimmen können. - Netzwerke knüpfen
Der Austausch mit anderen Familien und Betroffenen ist Gold wert. Ich bin Mitglied in einer kleinen Selbsthilfegruppe für seltene Myopathien und wir treffen uns alle paar Monate online. Dort gebe ich gern meine Erfahrungen weiter – aber ich profitiere genauso von den Tipps der anderen. - Selbstfürsorge und mentale Gesundheit
Chronische Erkrankung bedeutet nicht nur körperliche, sondern auch mentale Belastung. Ich habe gelernt, mit Frust und Ängsten umzugehen, indem ich eine Psychologin aufgesucht habe. Seitdem meditiere ich regelmäßig, um meine Gedanken zu ordnen, und führe ein Tagebuch, um Fortschritte und Rückschläge festzuhalten. - Flexible Planung
Ich plane meinen Tag nicht zu strikt: Wenn ich merke, dass ich an einem Tag besonders erschöpft bin, verschiebe ich Termine oder reduziere den Output. So vermeide ich Überlastung. An guten Tagen genieße ich es umso mehr, mit Freunden spazieren zu gehen oder einen Ausflug zu machen. - Offenheit zeigen
Ich spreche offen mit Freundinnen, Familie und Kolleginnen über meine Erkrankung. Das hat mir geholfen, Missverständnisse zu vermeiden und rechtzeitig um Hilfe zu bitten. Manche Personen in meinem Umfeld wussten zunächst gar nicht, was „kongenitale Myopathie“ bedeutet. In Gesprächen habe ich Begriffe wie „Muskelhypotonie“ oder „SPEG-Gen“ so erklärt, dass jeder sie versteht.
Ressourcen und weiterführende Links
Wenn ihr selbst betroffen seid oder einen Angehörigen habt, der BTCM hat, können die folgenden Anlaufstellen hilfreich sein:
- Selbsthilfegruppen für Neuromuskuläre Erkrankungen
Verschiedene Vereine bieten regelmäßige Treffen (online und lokal) an. Dort erfahrt ihr oft aus erster Hand, wie andere Familien ihren Alltag meistern. - Neuromuskuläre Zentren an Universitätskliniken
Viele Unikliniken haben spezialisierte Abteilungen für seltene Myopathien. Hier könnt ihr euch berufen lassen, wenn ihr Zweitmeinungen oder spezielle Diagnostik (z. B. Muskelbiopsie, moderne Genanalysen) braucht. - Genetische Beratungsstellen
In den meisten größeren Städten gibt es Institute oder Kliniken, die genetische Beratung anbieten. Dort könnt ihr euch nicht nur über BTCM informieren, sondern auch klären, was das für zukünftige Kinder bedeutet. - Online-Plattformen
Internationale Foren (z. B. MySportsGate, RareConnect) helfen beim Kontakt zu Betroffenen weltweit. Meistens auf Englisch, aber man findet oft auch deutschsprachige Unterforen.
Ausblick und Wünsche
BTCM wird nicht verschwinden, aber ich durfte erfahren, dass man trotzdem ein erfülltes Leben führen kann. Mein größter Wunsch ist es, dass mehr Menschen über seltene Myopathien Bescheid wissen und Ärzteschaften sowie Therapeuten noch enger zusammenarbeiten, um die Versorgung zu verbessern.
Wenn du hier gelandet bist, bist du entweder selbst betroffen, Familienmitglied, Freund*in oder medizinisch interessiert. Ich hoffe, meine Erfahrungen helfen dir, dich besser zurechtzufinden – und mach dir bewusst: Du bist nicht allein.
Wenn du Fragen hast oder einfach nur erzählen möchtest, wie es dir geht, schreib mir gerne eine Nachricht. Gemeinsam finden wir Wege, den Alltag besser zu gestalten und uns gegenseitig zu unterstützen.
Erstellt mit Hilfe von ChatGPT